Genesis der Mathematik
Am Anfang schuf Gott Adam und Eva. Und Adam war wüst und leer,
und es wollte nicht Licht werden im Kasten seines Gehirns, wo
Finsternis und Chaos herrschten. Und Gott sprach: "Es werde
eine Feste in der Wirre der Gedanken und Begriffe und ihr Name
sei Mathematik." Und so geschah es also. So ward aus plus und
minus der erste Tag.
Und Gott schuf gerade und krumme Linien, ebene und gewölbte
Flächen und Körper der verschiedensten geometrischen Formen mit
Winkeln und Längen und gab sie Adam, auf daß er sie berechne
und sich an ihnen erfreue. Und Gott sah, daß es gut war. So
ward aus Sinus und Kosinus der zweite Tag.
Und Gott schuf Potenzen und Wurzeln, rein- und
gemischtquadratische Gleichungen, reelle und imaginäre Zahlen
und sprach zu Adam: "Rechne mit ihnen nach den Gesetzen der
Algebra und Du wirst den binomischen Lehrsatz finden." So ward
aus Quadrat und Kubik der dritte Tag.
Und Gott sprach: "Es werde das Koordinatensystem mit seinem
Ursprung, mit Ordinate und Abszisse. In dieses sollen sich
einfügen Kreise, Ellipsen, Hyperbeln mit Pol, Polaren,
konjugierten Durchmessern und Tangenten, Kurven höherer und
noch höherer Ordnung, Asymptoten, Hoch- und Tiefpunkten, mit
und ohne Wendepunkten." Und Gott sah, daß es gut war. So ward
aus Maximum und Minimum der vierte Tag.
Und Gott formte die Erde mit Groß- und Kleinkreisen, mit
Längen- und Breitenkreisen, mit Meridianen und Vertikalen und
gab ihr einen Platz im Mittelpunkt der Himmelskugel mit
Horizont, Zenit und Nadir, mit Äquator, Nord- und Südpol, und
setzte auf diese Kugel Gestirne, deren Lage durch Höhe,
Deklination und Stundenwinkel bestimmt war. Und Gott
betrachtete sein Werk mit Wohlgefallen. So ward aus Längenzeit
und Zeitgleichung der fünfte Tag.
Und Gott sprach: "Die Erde bringe hervor kleine und kleinste
Teilchen in einer Menge, daß ihre Zahl gegen unendlich strebe."
Und es geschah also. Und der Herr nannte diese Teilchen lim x
für x gegen unendlich. Und schuf die Herren Briggs und Napier,
auf daß sie Logarithmen schufen, und er baute Reihen, endliche
und unendliche. Da ward aus konvergent und divergent der
sechste Tag.
Am siebten Tage aber ruhte Gott. Und er gab Adam die
Logarithmentafel und sprach: "Siehe, ich gebe in Deine Hände
das ganze mathematische Paradies. Nun darfst Du addieren und
multiplizieren und potenzieren. Nur durch die Zahl Null darfst
Du nicht dividieren; denn diese Zahl ist ein Geschöpf des
Fürsten der Finsternis."
Die listige Schlange aber sprach zu Eva: "Wer durch Null
dividiert, wird lernen, was richtig und falsch ist." Und das
törichte Weib sprach zu Adam: "Dividiere und Gleichung wird
viel einfacher werden."
Und Adam faßte sich ein Herz und dividierte durch Null. Da
wurden ihre Augen aufgetan und sie erkannten, daß sie nackt
waren. So machten sie sich Schürzen aus abgewickelten
Oberflächenintegralen. Da trieb Gott Adam und Eva aus dem
mathematischen Paradies und sprach zu ihnen: "Weil Du durch
Null dividiert hast, sei Deine Arbeit verflucht. Im Schweiße
Deines Angesichts sollst Du Dein Leben lang differenzieren,
integrieren und logarithmieren. Nie sollst Du eine Zahl
unendlich erreichen und für Pi und e genaue Werte finden. Du
wirst für den Sinus von zwei verschiedenen Zahlen den gleichen
Wert erhalten und nie einen exakten mathematischen Text
hervorbringen."
Und so geschah es also ...
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